Sonja Wiesmann: Eine Stimme, die zuhörte

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Das unerwartete und traurige Ende von Sonja Wiesmann hinterlässt eine große Lücke in der Politik und in den Herzen ihrer Mitmenschen. Wir erinnern uns an ihre Ehrlichkeit, ihren Einsatz und vor allem an ihre Fähigkeit, zuzuhören und die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen.

Am 23. Januar ist Sonja Wiesmann überraschend an einer Lungenblutung gestorben. Wo Wiesmann stand und wirkte, bleibt ein grosses Loch – politisch, aber vor allem menschlich. Wie wohl selten hat sich am Donnerstag, 23. Januar 2025, die erste Zeile aus einem gregorianischen Choral des achten Jahrhunderts erfüllt: «Media vita in morte sumus – mitten im Leben sind wir im Tod.» Unser aller Leben hat ein Ablaufdatum. Das ist nichts Neues.

Wir wissen es, aber wir kennen nicht den Tag, nicht die Stunde. Dass diese Stunde nun aber für Sonja Wiesmann derart schnell geschlagen hat, dass sie ihre Familie, ihre Freunde, Mitmenschen, uns alle so Hals über Kopf verlassen hat – mitten im Leben – das hat uns geschockt, verwirrt und ratlos und traurig zurückgelassen. Es blieb keine Zeit – auch für Sonja Wiesmann nicht – Abschied zu nehmen, sich vorzubereiten, vielleicht um Verzeihung zu bitten für ein böses Wort, ein Missverständnis zu klären oder einfach für eine Umarmung. Schnöckelslos, direkt, ohne grosses Aufheben, ohne Inszenierung – irgendwie so, wie sie gelebt hat, wie sie gearbeitet hat, so war ihr Sterben. Sie hat sich nicht ins Zentrum gestellt, sondern die anderen, ihre Familie, ihre Aufgaben. Dafür konnte Sonja Wiesmann aus einem reichen und ausserordentlich vielfältigen Erfahrungsschatz schöpfen. Sie brauchte keine Theorie der Emanzipation, keine Ausführungen zur Rolle der Frau oder der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie hat es einfach gemacht, daran gearbeitet und wo nötig selbst Hand angelegt. In der Politik war sie eloquent, aber nicht geschwätzig. Sonja Wiesmann war aus tiefster Überzeugung und persönlicher Erfahrung eine Sozialdemokratin. Beides hat sie in Wort und Tat unterstrichen: sozial im Denken und im konkreten Wirken in den zahlreichen Funktionen in Politik, Vereinen und Gemeinschaften. Und demokratisch: Auch die nicht so Lauten gehörten für sie zur Gesellschaft dazu. Ihnen hat sie eine Stimme gegeben. Unaufgeregt, ohne mediale Aufmerksamkeit und Bestätigung zu suchen, keine Inszenierung – einfach das Notwendige tun. Aber dies richtig. Diese Fähigkeit des richtigen Tons, des unspektakulären, aber umso wirkungsvolleren Anpackens hat Sonja Wiesmann viel Respekt und Anerkennung eingebracht. Man kann sich – zumindest aus der Halbdistanz – nicht vorstellen, dass sie böse werden konnte. Heftig, sogar verärgert – ja; engagiert und deutlich – auf jeden Fall. Aber böse – niemals. Sie konnte in einer Debatte sehr dezidiert werden, oh ja. Aber immer mit Respekt für das Gegenüber. Hartes Verhandeln war durchaus ihre Sache, doch dazu brauchte sie keine Tricks anzuwenden. Dafür hatte sie eine klare, für jedermann verständliche Körpersprache: «Hier bin ich und hier stehe ich, fest – zu mir selbst, zu meinen Überzeugungen, zu meinen Leuten.» Sonja Wiesmann war ein durch und durch politischer Mensch. Das heisst aber nicht, dass sie eine unterkühlte Maschinistin im Getriebe der Politik gewesen wäre. Nein, sie liebte das Leben mit all seinen Facetten. Sie ass gerne gut, liebte das Reisen, das Zusammensein mit der Familie, den Freunden, die Ferien in der Toskana, aber auch die Dorfgemeinschaft. Aber sie fühlte sich auch ausserhalb der politischen «Bubble» wohl. Und das Weihnachtsgeschenk der Fraktion, eine Ladung verschiedenster Bücher – zuverlässig jedes Jahresende überreicht –, hat sie mit grosser Freude und Appetit verschlungen. Sonja Wiesmann war ein emotionaler Mensch – aber sie hat ihre Gefühle nicht vor sich hergetragen, sie nicht allen auf das Auge gedrückt. Es sind immer wieder die gleichen oder zumindest ähnlichen Begriffe, die im Gespräch über Sonja Wiesmann fallen: ehrlich, beharrlich, erfahren, bescheiden. Aber am häufigsten wird sie so charakterisiert: Sie konnte zuhören. Dies ist eine Zuschreibung, die einem Ritterschlag gleichkommt. Zumindest in den politischen Verhältnissen, wo Reden Gold und Schweigen – wenn überhaupt – gerade mal Silber ist. Da hat sie zuerst einmal hingehört, aufmerksam, konzentriert. Sie hat überlegt, nachgefragt, eingeordnet und sich erst dann geäussert. Was Sonja Wiesmann sagte, hatte Hand und Fuss, konnte bestehen – keine Floskeln. Natürlich konnte sie auch mal falsch liegen, etwas übersehen oder vergessen haben. Aber dann fiel es ihr nicht schwer, sich zu entschuldigen und vor allem, sich oder den Fehler zu korrigieren. Antoine de Saint-Exupéry schrieb: «Der Tod ordnet die Welt neu. Scheinbar hat sich nichts verändert und doch ist die Welt für uns ganz anders geworden.» Wie wahr. Es wird uns schmerzlich bewusst, dass die Welt sich weiter und irgendwie ungerührt weiterdreht. Aber es bleibt ein grosses Loch, ein menschliches und politisches Fehlen – dort, wo Sonja Wiesmann stand, dort, wo sie wirkte. Aber Sonja Wiesmann hat in ihrem Leben, durch ihr Leben, für viele Menschen einen Unterschied gemacht

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