Der spektakuläre Fall der einst größten Küchenmarke Deutschlands wird vor Gericht verhandelt. Das Führungsduo Max Müller und Ipek Demirtas steht wegen Insolvenzverschleppung und Kreditbetrugs im Fokus. Mehr als 1200 Gläubiger warten auf die Auszahlung ihrer Forderungen von knapp zwei Milliarden Euro.
Alno , einst der größte Hersteller von Küchen, erlebte einen spektakulären Niedergang, der 2017 mit einer spektakulären Pleite endete. Das Aus für die Marke, die zeitweise sogar Marktführer unter den deutschen Küchenherstellern war, begann bereits vier Jahre zuvor mit dem Insolvenzantrag. Geblieben ist der Name – vermarktet vom Möbelhändler Höffner – und die Konzernzentrale mit dem roten « Alno »-Schriftzug. Dort sind heute Büros des Landratsamts, der Caritas und ein Fahrradladen beheimatet.
Alno steht aber heute noch vor allem für eine spektakuläre Pleite, deren Hintergründe immer noch nicht geklärt sind. Mehr als 1200 Gläubiger pochen auf Forderungen von knapp zwei Milliarden Euro. Die Umstände und Verantwortlichkeiten dieser Pleite soll nun seit Montag die Große Wirtschaftskammer des Landgerichts Stuttgart klären. Im Mittelpunkt stehen der frühere Vorstandsvorsitzende Max Müller, 78, und seine Finanzchefin Ipek Demirtas, 57. Sie sehen sich massiven Vorwürfen konfrontiert: Insolvenzverschleppung, Kreditbetrug, Bankrott und Untreue. Staatsanwalt Thomas Böttger braucht mehr als eine Stunde, um alle Punkte vorzutragen, die von den Ermittlern zusammengetragen wurden. Aus Sicht der Ankläger war Alno schon lange vor dem Sommer 2017 pleite. Das habe der Vorstand gewusst und verschleiert. Zudem hätten die Angeklagten über Jahre Gelder veruntreut. Sollte das Gericht dem folgen, wären hohe Freiheitsstrafen fällig. Die Pleite hat schon bald die Justiz auf den Plan gerufen. Ermittler durchsuchten im März 2018 Geschäftsräume der Alno AG und sechs Tochtergesellschaften sowie die Privaträume von zwölf Vorständen und Führungskräften. Ihr Verdacht: Die Pleite von Alno hat eine strafbare Seite. Davon geht auch Insolvenzverwalter Marin Hörmann aus. Nach einem von ihm beauftragten Gutachten der Prüfungsgesellschaft FTI-Andersch soll Alno bereits 2013 zahlungsunfähig gewesen sein. Gerät ein Unternehmen in Schieflage, kommt auf das Management eine besondere Verantwortung zu. Es muss sicherstellen, dass die Gläubiger nicht benachteiligt werden. Ist die Firma zahlungsunfähig, muss die Leitung innerhalb von drei Wochen den Gang zum Insolvenzgericht antreten. Bei Überschuldung beträgt die Frist sechs Wochen. Dann übernimmt ein Insolvenzverwalter das Kommando. Er prüft, ob das Unternehmen fortbestehen kann oder ob aus den vorhandenen Werten die Forderungen der Gläubiger ganz oder zum Teil beglichen werden. Hält sich das Management nicht an die Fristen, ist die Führung wegen Insolvenzverschleppung strafbar. Geschieht dies vorsätzlich, droht Gefängnis bis zu drei Jahren. Nach Einschätzung des Fachanwalts Matthias Brauer werden 60 Prozent der Insolvenzanträge zu spät gestellt. (Derselben Ansicht folgt inzwischen auch die Anklage. Ein Schuldspruch würde bei vielen Gläubigern neue Hoffnung aufkeimen lassen. Denn dann müsste eine Directors-and-Officers-Versicherung (D&O) haften, die Schadensersatzansprüche gegen das Management übernimmt. Nach einem Bericht der FAZ wurden bis Herbst lediglich 22 Millionen an die Schuldner ausbezahlt. Kennern der Branche ist erinnerlich, dass die Krise des einst so klangvollen Küchenherstellers bereits Mitte der 1990er-Jahre begonnen hatte. Seinerzeit beschloss Gründer Alber Nothdurft – seine Initialen bilden den Firmennamen –, den Küchenbauer an die Börse zu bringen, statt sie den beiden Söhnen zu überlassen. Allerdings waren die Anteile derart breit gestreut, dass niemand aus dem Aktionärskreis in der Lage war, Alno eine klare Richtung vorzugeben. Hinzu kamen etliche Managementfehler. Im April 2011 übernahm der Schweizer Financier Max Müller die Führung bei Alno. Sein Vorgänger Jörg Deisel war zuvor am Widerstand des Aufsichtsrats krachend gescheitert, den Sitz von Pfullendorf nach Düsseldorf zu verlagern. Müller und seine ebenfalls 2011 eingestiegene Finanzchefin Demirtas gelang es allerdings nicht, Alno in ein ruhigeres Fahrwasser zu lenken. Immer wieder musste der schlingernde Konzern mit Notmassnahmen über Wasser gehalten werden. Dazu gehört offenbar auch eine Konstruktion, mit der Verkäufe an den Grosshandel abgesichert wurden. Abgewickelt wurde dies über die Castor Holding des Müller-Freundes Horst Overbeck, 82, der nun wegen Beihilfe zur Untreue ebenfalls in Stuttgart vor Gericht steht. Der Anklage zufolge hat Castor für Rechnungen in Millionenhöhe ohne Gegenleistung hohe Provisionen kassiert. Solche Provisionen hätten allenfalls dem Grosshandel selbst zugestanden, meint Böttcher
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