Anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz erinnern sich ehemalige Häftlinge an ihre Erlebnisse im Vernichtungslager. Holocaustüberlebende warnen vor wachsender Gefahr von Antisemitismus und Extremismus. Prominente Politiker aus aller Welt sind an der Gedenkfeier in Auschwitz-Birkenau zugegen.
80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz : Ehemalige Häftlinge berichten von ihrem Überleben im Vernichtungslager – vielleicht zum letzten Mal. Auch der 7. Oktober 2023 beschäftigte die Redner. Holocaust überlebende mahnen zum 80. Jahrestag zur Wachsamkeit gegenüber Extremismus . Prominente Staatsgäste waren am Gedenkanlass anwesend, aber es sprachen vor allem Überlebende. Nur noch 56 Zeitzeugen nehmen in diesem Jahr am Gedenkakt teil, vor zehn Jahren waren es noch etwa 200.
«Es ist nicht alles in Ordnung», sagt der 80-jährige Ronald S. Lauder am Gedenkort Auschwitz-Birkenau. Der Zustand der westlichen Demokratien sei nicht gut. Er könne an diesem 27. Januar, 80 Jahre nach der Befreiung des deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz, nicht so viel Hoffnung verbreiten wie vielleicht früher. Juden seien bedroht wie nie, sagt der New Yorker Unternehmer, der mit seiner Stiftung viel zur Erhaltung von Auschwitz-Birkenau als Gedenkort beigetragen hat. Und wo Juden bedroht seien, seien bald auch andere in Gefahr. Die Juden, sagt Lauder, seien der Kanarienvogel im Bergwerk, dessen Tod die Bergarbeiter warne, rasch die Mine zu verlassen. «Dieser Kanarienvogel starb vor 15 Monaten.» Der 7. Oktober 2023 ist aus Sicht einiger Redner von diesem 27. Januar 2025 nicht zu trennen. Hamas-Terroristen überfielen an diesem Tag israelische Dörfer und Festivalbesucher, ermordeten auf brutale Weise mehr als 1200 Menschen und nahmen Geiseln, von denen noch immer nicht alle frei sind und von denen viele später noch getötet wurden. Dieser Angriff, sagt Lauder, habe allgemein den jüdisch-christlichen Werten und der Demokratie gegolten, das Ziel sei «der Tod der westlichen Zivilisation». Warnungen vor rasant wachsendem Extremismus, dringliche Aufforderungen vor allem an die Jüngeren – die Social-Media-Generationen –, sich Rassismus und Hassrede entgegenzustellen, Lügen zu entlarven, Verschwörungserzählungen nicht zu verbreiten, ziehen sich durch die Reden an diesem Gedenktag. Es sprechen bis auf Ronald Lauder und den Leiter der Gedenkstätte Piotr Cywiński nur Überlebende.«Hi!», sagt Tova Friedman zur Begrüssung zu den 2500 Gästen, die aus aller Welt zur Gedenkfeier gekommen sind. Die 86-Jährige ist dank ihres Enkels eine erfolgreiche Tiktokerin. Sie schafft es in dem Miniformat, das von Teenagern geliebt und auch von extremistischen Kräften ausgenutzt wird, vom Holocaust zu erzählen. Zum Beispiel davon, wie ihr als Fünfjähriger eine junge Häftlingsfrau im Konzentrationslager Auschwitz mit zitternden Händen die Nummer 27’633 eintätowieren musste. Sie solle sich die Nummer gut einprägen: «Du hast jetzt keinen Namen mehr.» Aber das Kind, das damals noch Tola Grossman hiess, kannte noch keine Zahlen.Den 27. Januar feiere sie stets als ihren Geburtstag, erzählt Tova Friedman nun. Sechseinhalb Jahre war sie alt, als die Sowjets die Lagertore öffneten, die SS-Leute waren bereits geflohen. Als Kind sah Tova Friedman, wie andere Kinder in die Gaskammer gebracht wurden. «Ich dachte, wenn du ein jüdisches Kind bist, dann musst du eben sterben.» Dabei habe sie gar nicht richtig gewusst, was Jüdischsein bedeute.«Die Welt befindet sich wieder in einer Krise», sagt Friedman, die 1950 mit ihren Eltern, die beide überlebt hatten, aus Polen in die USA ausgewandert war. Friedman studierte dort Psychologie. «Unsere Pflicht ist es nicht nur, zu erinnern.» Sondern auch zu warnen und Wissen zu vermitteln. «Hass schafft mehr Hass», sagt Friedman, «und Töten mehr Töten.» Überraschend ist auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, der selbst jüdische Wurzeln hat, zum Gedenken angereist. Neben ihm sitzen der britische König Charles und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.Der französische Präsident Emmanuel Macron ist anwesend, der polnische Präsident Andrzej Duda und Ministerpräsident Donald Tusk. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz und weitere deutsche Vertreter von Regierung, Bundestag und Bundesrat, darunter Wirtschaftsminister Robert Habeck. Aus der Schweiz nahm Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter am Gedenkanlass teil. Die Staatsgäste dürfen jedoch nur zuhören. Dem 98-jährigen Marian Turski, dem Präsidenten des Internationalen Auschwitz-Komitees. Dem 99-jährigen Leon Weintraub und Janina Iwańska, geboren 1930 in Warschau. Alle vier Zeitzeugen, die zum 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz sprechen, stammen aus Polen.Für die Gedenkfeier wurde das aus Ziegelsteinen errichtete Tor, durch das die Güterzüge ins Vernichtungslager Birkenau einfuhren, mit einem Zelt überbaut, ein historischer Güterwaggon wurde ebenfalls unter das Zelt geschoben.
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