Eine neue Netflix-Dokumentation beleuchtet die turbulente Geschichte der «Jerry Springer Show» und ihren Einfluss auf die US-amerikanische Kultur. Die Show, die für ihre explosiven Gäste, Skandale und Gewalt bekannt war, wird oft mit dem Aufstieg von Donald Trump in Verbindung gebracht.
Eine neue Netflix-Dokumentation beleuchtet die turbulente, 27-jährige Geschichte der « Jerry Springer Show ». Ihr Einfluss auf das heutige Amerika kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Selbst gab sich Jerry Springer in der Moderation stets smart und eher zurückhaltend. Doch seine « Jerry Springer Show » gilt in den USA als das übelste Fernsehformat aller Zeiten.
Hat erst Jerry Springer Präsident Donald Trump möglich gemacht? Vermutlich wäre das etwas zu viel der Ehre für den Talk-Moderator, der in den 1990er-Jahren die Pforten zur Trash-TV-Hölle öffnete. Aber zumindest gilt es in den USA als Gemeinplatz, dass die «Jerry Springer Show» eng mit dem politischen Aufstieg Donald Trumps verbunden war. In Jerry Springers Studio wurde geprügelt, geschrien, geweint, gemobbt, getobt, gedemütigt, gelogen und regelmässig die nackte Frauenbrust gezeigt (Sendetitel: «Ich weigere mich, Kleidung zu tragen»). Kein Thema war zu absurd, als dass nicht Studiogäste dazu ihre Erfahrungen preisgegeben und die verrücktesten Geständnisse gemacht hätten – was in aller Regel in Gewaltchaos auf der Bühne ausartete. Themen wie «Ich bin von deinem Mann schwanger» oder «Ich habe mit deiner Mutter geschlafen» gehörten noch zu den harmloseren. Die Folge mit «Mark», der mit einem Pferd liiert war und vor laufender Kamera sichtlich stolz Sodomie zugab («Ich habe ein Pferd geheiratet»), hält Chefproduzent Richard Dominick noch heute für «die grösste Liebesgeschichte aller Zeiten». Mit jeder Staffel wurden die Extreme auf die Spitze getrieben. «Wenn ich jemanden im TV töten könnte, würde ich ihn im TV exekutieren», prahlte Dominick in einem Interview. Je tabuloser, desto besser. Hauptsache, die Krawallsendung brachte Quoten. Das tat die «Jerry Springer Show» – und wie. Was 1991 als dröger Alltagstalk begann und von NBC auf einen Sendeplatz um 2 Uhr nachts verbannt wurde, verwandelte sich mit dem Einstieg Dominicks 1993 zur Freakshow und zum Circus Maximus im Studioformat. 1999 überholte sie in der Publikumsgunst mit 11,1 Millionen Zuschauern pro Folge die damals als unangreifbar geltende Talk-Quotenqueen Oprah Winfrey. Fast noch mehr Schaudern als die bizarren Talkgäste flösste aber das Publikum ein: Dieses machte oft die Schwächsten und Unbeholfensten auf der Bühne nieder und feuerte die sich prügelnden Kontrahenten zu noch härteren Schlägen an. Gnadenloser Voyeurismus in Reinkultur eben. «Die Menge schrie nach Blut», sagt dazu der Chicagoer TV-Kritiker Robert Feder, «es war schrecklich». Auf der anderen Seite gab es durchaus Widerstand: «Wie tief kann TV sinken?», schimpften US-Zeitungen, wenn wieder eine besonders anstössige Folge ausgestrahlt worden war. Es kam zu Hearings, politischen Vorstössen zur Absetzung des Formats und zu Demonstrationen auf der Strasse. Als im Juli 2000 der Deutsche Ralf Panitz seine Ex-Frau wenige Stunden nach Ausstrahlung jener Episode erwürgte, in der er sie mit ihrer Nachfolgerin gedemütigt hatte («Konfrontation der heimlichen Geliebten»), schien aufgrund des öffentlichen Aufschreis ein Wendepunkt erreicht. Chefproduzent Richard Dominick gilt als der eigentliche Scharfmacher hinter den Kulissen, der Jerry Springer in die Abgründe des Trash-TV führte. Trotzdessen lief die 43-Minuten-Show noch bis 2018 weiter. Erst dann wurde sie wegen einbrechender Quoten eingestellt. Offenbar überflügelte das reale Spektakel von Trumps erster Präsidentschaft das Chaos im TV-Studio. Der 2023 verstorbene Jerry Springer, als Sohn jüdischer Holocaust-Überlebender 1949 in die USA gekommen, sah sich selbst als Vorreiter des Trumpismus. «Donald Trump stahl meine Show und brachte sie ins Weisse Haus», sagte er in einem Interview. «Das Verhalten einiger meiner Gäste entsprach exakt jenem von Donald Trump», gab, «nur verfügten diese über genügend Verstand, sich nicht um die Präsidentschaft zu bewerben». 2016 sprach sich Springer, der vor seiner TV-Karriere ein Jahr lang demokratischer Bürgermeister von Cincinnati gewesen war, im Wahlkampf offen für Hillary Clinton aus. Zweifellos habe seine Show den Weg dafür geebnet, «dass Trump mit allem, was er behauptet, davonkommt», zeigte sich Springer reumütig: «Ich möchte mich dafür entschuldigen, was ich mit dieser Show angerichtet habe. Ich habe die Kultur ruiniert.» Hingegen lässt die diese Woche angelaufene Netflix-Dokumentation gewisse Zweifel aufkommen, ob solch öffentliches Zu-Kreuze-Kriechen («Ich würde nie meine Show ansehen») wirklich ernst gemeint war. Dafür liebte Springer den Reichtum zu sehr, die Macht und die Beliebtheit, die er durch seine 27 Jahre dauernde Moderation angehäuft hatte, wie sich einer seiner Mitarbeiter erinnert. Auch war sich der vor Publikum stets zurückhaltende und überlegen smart auftretende Springer nicht zu schade, mit zwei Porno-Sternchen aus seiner Sendung ins Bett zu hüpfe
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