Punctual Ntsokolo ist einer der wenigen Überlebenden der Tragödie in der stillgelegten Goldmine von Stilfontein. Nach der polizeilichen Razzia wurden die illegalen Goldsucher in den Schächten von Hunger und Verzweiflung geplagt. Ntsokolo berichtet von den schrecklichen Zuständen und der brutalen Realität unter Tage.
Pünktlich Ntsokolo sass mit anderen illegalen Goldsuchern über Monate in einer Mine fest. Von der Polizei wurden sie ausgehungert. Jetzt droht ihm das Gefängnis. Erreichte die Mine genau zur falschen Zeit: Punctual Ntsokolo ist nach der Tragödie vorübergehend auf freiem Fuss. Er heisse Punctual Ntsokolo, sagt der Mann mit dem Fischerhut. Punctual wie pünktlich. Doch die stillgelegte Goldmine von Stilfontein erreichte er genau zur falschen Zeit. Am 31.
Juli 2024 liess er sich in die Tiefe abseilen. Und damit nur wenige Tage bevor sich die Mine von einem – zumindest laut Punctual Ntsokolo – angenehmen Arbeitsplatz in eine unterirdische Hölle verwandelte. Denn Anfang August holte die südafrikanische Polizei zum Schlag gegen die illegalen Goldsucher aus. Ntsokolo, 40 Jahre alt, kann berichten von seiner Zeit in der Mine von Stilfontein, 150 Kilometer südwestlich von Johannesburg. Anders als fast alle seine Kollegen ist er am Leben und frei, zumindest vorübergehend. Fünf Tage dauerte sein Aufstieg durch den Schacht, ehe er mit blutigen Händen und Füssen die Oberfläche erreichte und zum ersten Mal nach fast fünf Monaten wieder Tageslicht sah. Am 25. Dezember war das, pünktlich zu Weihnachten. Die Tragödie von Stilfontein, die im August begonnen hatte, ist in dieser Woche mit einem dramatischen Schlussakt zu Ende gegangen. Am Ende ging es schnell: Ein Rettungskäfig wird aus einem verlassenen Goldschacht in Stilfontein gehoben. Am Montag startete die Polizei mit einer gerichtlich angeordneten Bergungsaktion in der Mine. Am Mittwochabend erklärte sie den Einsatz für beendet. 246 Zama Zamas – so nennt man die illegalen Goldsucher in Südafrika – wurden in drei Tagen lebend an die Oberfläche gehievt. Und umgehend verhaftet. 78 Männer wurden tot geborgen. Zwei Fragen treiben Südafrika nun um: Warum kamen die Zama Zamas ums Leben? Und was haben sie dort unten gemacht, in einer vor Jahren aufgegebenen Mine? Punctual Ntsokolo hat als Treffpunkt einen Park in Klerksdorp vorgeschlagen, eine Viertelstunde von Stilfontein entfernt. Er will keine Aufmerksamkeit. Einem Foto stimmt er nur zu, wenn man ihn darauf nicht erkennt. In Klerksdorp gibt es viele grosse Häuser und teure Autos, denen man ansieht, dass einige Menschen hier bis heute gut vom Gold leben, auch wenn Südafrika schon lange nicht mehr der weltgrösste Produzent ist. Und es gibt, eine halbe Stunde entfernt, die Township Khuma, der man ansieht, dass der Niedergang der Industrie die armen Leute hart getroffen hat. Aus Khuma kommt Punctual Ntsokolo. Die Arbeitslosenquote in der Provinz Nordwest ist mit mehr als 40 Prozent die höchste Südafrikas. Auch Ntsokolo hat schon seit Jahren keinen Job mehr, obwohl er eine Bewerbung nach der anderen schreibe. Was er hat, sind sechs Kinder von zwei Frauen. Im Juli entschloss er deshalb, eine Arbeit anzunehmen, die in Südafrika viele Tausend Menschen ausüben – vor allem illegale Immigranten aus Zimbabwe und Moçambique, die noch etwas verzweifelter sind als die Einheimischen. Er ging in die Mine. Seine Frau sagte: Tu es nicht. Seine Mutter sagte: Bitte tu es nicht. Ntsokolo sagte: Ich muss. Um meine Kinder zu ernähren. In Khuma habe er Männer gesehen, die unter der Erde verschwanden und Monate später mit dicken Geldbündeln in der Tasche wieder auftauchten. Also liess er sich anwerben. Von den Männern, die die Mine nach ihrer Schliessung weiterbetrieben, ohne Erlaubnis, ohne teures Gerät, ohne Sicherheitsprotokoll. Ein bisschen Gold ist schliesslich noch da. Er selbst habe nicht nach Gold gegraben, sagt Ntsokolo. Er war eines der Rädchen, die den Alltag unter Tage am Laufen hielten. Sein Job bestand darin, das Seil zu bedienen, an dem Menschen und Lebensmittel zwischen den 18 Ebenen der Mine hin- und hertransportiert wurden. Wie das Leben war? Wow, sagt er nur. Es gab einen Shop, in dem man Essen und Alkohol kaufen konnte. Es gab einen Fernseher, angetrieben von einem Dieselgenerator, auf dem die Arbeiter Filme schauten. Zweimal im Monat gab es Fast Food von KFC. Mehr als 1000 Menschen waren sie, schätzt Ntsokolo, in den Schächten 10 und 11. Alle seien glücklich gewesen. Nur beim Schlafen musste man aufpassen, dass einem niemand die Stirnlampe klaute. Ohne Stirnlampe, sagt er, bist du da unten am Ende. Doch dann, Anfang August, begann die Operation Vala Umgodi. Die Polizei besetzte alle Eingänge zur Mine. Sie verscheuchte die Helfer, die die Menschen in der Tiefe versorgt hatten. Sie schnitt sie von ihrem Nachschub ab. Das Ziel, so formulierte es später eine Ministerin: die Zama Zamas ausräuchern. In der Mine, sagt Ntsokolo, zog im August das Grauen ein. Die letzten Vorräte waren schnell aufgebraucht, die Menschen hungerten. Verhungerten. Manche hätten Kakerlaken gegessen, um zu überleben. Und manche hätten tote Menschen gegessen. Er habe es mit eigenen Augen gesehen
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