Das Vergessene Feuer: Die Ermordung zweier tamilischer Flüchtlinge in Chur

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Das Vergessene Feuer: Die Ermordung zweier tamilischer Flüchtlinge in Chur
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Vor 35 Jahren wurden vier tamilische Flüchtlinge in Chur bei einem Brand getötet. Die Hintergründe dieses tragischen Ereignisses blieben lange im Dunkeln. Ein Zufall führte zu einer neuen Recherche, die auf Hinweise hinweist, dass es sich möglicherweise um einen rechtsextremen Anschlag handeln könnte.

Die beiden Brüder waren unzertrennlich. Sie spielten Fussball, badeten abends mit extra viel Schaum und assen lieber Spaghetti als das tamilische Chicken ihrer Mutter. Ihre Namen waren Balamurali und Balamugunthan. Es sind fremd klingende Namen, die wir uns nur schwer merken können. Aber wenn man sie ein paarmal laut ausspricht, dann bleiben sie im Gedächtnis. Man kann die Namen auch abkürzen, so wie es ihre Eltern und Freunde taten: Murali und Mugunthan. Die beiden lebten in St.

Gallen, sprachen Deutsch, waren in der Schule unauffällig. Die dunklen Haare wuschelig, das Jeanshemd vor dem Bauch geknotet, so sieht man sie auf Fotos, so beschreiben sie auch ihre Eltern, ihre Schwester, ihre ehemalige Lehrerin. Der Ältere, Murali, half gern. Schon als kleiner Junge stieg er auf einen Stuhl, um abzuwaschen, und staubsaugte die Familienwohnung an der Oststrasse im Stadtteil St. Fiden. Einmal fragte er einen Gärtner, ob er für ihn arbeiten dürfe, er wolle mit dem Lohn die Eltern unterstützen. Der Jüngere, Mugunthan, fühlte sich immer ein wenig benachteiligt. Er befürchtete, seine Eltern liebten die kleine Schwester mehr als ihn. Doch Mugunthans Angst war unbegründet: Sie liebten jedes ihrer drei Kinder gleich fest, bedingungslos, von ganzem Herzen.Am 2. Juli 1989, in der Nacht von Samstag auf Sonntag, wurden die beiden Buben in Chur getötet. Ein Feuer verwüstete die Asylunterkunft, in der sie schliefen. Sie erstickten am Kohlenmonoxid. Zusammen mit den beiden Kindern starben ein weiterer Jugendlicher und ein Mann: der achtzehn Jahre alte Saththivel Thambirajah und der vierzig Jahre alte Thevarajah Sinnethamby. Ein Journalist wird bedroht Es hat viel mit Zufall zu tun, dass wir hier die Lebensgeschichte von Murali und Mugunthan erzählen und die mysteriösen Umstände, die zu ihrem brutalen Tod führten. Denn der Brand, bei dem sie vor fünfunddreissig Jahren ums Leben kamen, ging nicht in das kollektive Gedächtnis der Schweiz ein, nichts erinnert mehr daran, keine Tafel, keine Reden, und auch wir sind zufällig darauf gestossen. Der Historiker Damir Skenderovic hatte den Fall beiläufig erwähnt, in einem Interview mit der NZZ. Weil wir vorher noch nie von dem Brand gehört haben, lesen wir in der Schweizerischen Mediendatenbank nach, was damals berichtet wurde. Es gab nur wenige Artikel, aber ein paar Journalisten und Politikerinnen stellten die Vermutung auf, die vier tamilischen Geflüchteten könnten bei einem rechtsextremen Anschlag ums Leben gekommen sein. Wir fragen uns: Ist das möglich? Und falls ja, warum gab es darüber keine Debatte? Und weshalb wurden die Mörder nie gefasst? Wenn wir bisher an rechtsextreme Anschläge dachten, dann an Anschläge in Deutschland, etwa den in Solingen, bei dem im Mai 1993 zwei Erwachsene und drei Kinder getötet wurden. Ein Mahnmal erinnert an die Tat, Strassen wurden nach den Opfern benannt, der deutsche Bundespräsident hielt 2023 zum dreissigsten Jahrestag eine Gedenkrede. Es gibt Bücher über Solingen, Filme, Schulmaterial, sogar ein Hörspiel und Popsongs. Aber über den Brand in Chur gibt es nichts. Und leider, so müssen wir im Verlauf unserer Nachforschungen feststellen, ist dieses Nicht-Erinnern kein Zufall; es folgt einem Muster. Unsere Suche beginnt nicht bei den Hinterbliebenen, die sind zunächst unauffindbar, sondern bei Reto Padrutt in seinem Zuhause in Zürich. Wo genau er wohnt, das dürfen wir nicht schreiben, das sei ihm «zu heikel». Er sagt das gleich zu Beginn unseres Treffens, während er, im Garten stehend, eine Zigarette raucht. Padrutt, heute achtundsiebzig Jahre alt, war früher Journalist. Er berichtete zusammen mit dem Reporter Andreas Hoessliund recherchierte viele Jahre lang in der rechtsextremen Szene. In jener Zeit, so erzählt er uns, habe er in einem Mehrfamilienhaus gewohnt, bei dem die Eingangstür kaputt war, sie liess sich nicht mehr abschliessen. Und so ist er «ziemlich erschrocken», als er einen Brief von der rechtsextremen Patriotischen Front erhielt, in dem stand, man wisse von der kaputten Tür und werde bei ihm Feuer legen. In der hellen Wohnung im ersten Stock setzen wir uns an den Holztisch, auf dem schon die Unterlagen bereitliegen, die Padrutt für uns aus dem Keller geholt hat. Es sind seine Notizen zum Brand von Chur. Wir lassen den Kaffee kalt werden und stürzen uns stattdessen auf die sorgfältig geordneten Blätter. Padrutt und sein Kollege trugen damals Hinweise zusammen, die auf einen Anschlag aus der rechtsextremen Szene hinweisen. Später schicken wir der Staatsanwaltschaft in Chur einen eingeschriebenen Brief und bitten um Einsicht in sämtliche Untersuchungsakten zum Brand. Wir sprechen mit ehemaligen Polizisten, mit einer Augenzeugin, einem Anwalt und mit weiteren Journalisten. In St. Gallen treffen wir schliesslich auch die Schwester und die Eltern der beiden toten Buben. Die Familie zu finden, war schwierig, denn die Behörden und folglich auch die Presse hatten damals den Nachnamen falsch geschrieben, Kandian statt Kandia

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