Albert Schweitzer: Der “Gutmensch” und seine Kontroversen

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Albert Schweitzer: Der “Gutmensch” und seine Kontroversen
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Albert Schweitzer, der „Urwalddoktor“, wird in diesem Artikel beleuchtet. Seine Verdienste als Arzt und Friedensnobelpreisträger werden vorgestellt, aber auch die Kontroversen rund um seine Person, wie die Vorwürfe des Rassismus und Patriarchats, werden angesprochen. Der Artikel beleuchtet die Komplexität seiner Persönlichkeit und hinterfragt das Ideal des „Guten Menschen“ in der modernen Welt.

Am 14. Januar 1875 wurde der « Urwalddoktor » Albert Schweitzer geboren. Helfen machte er zur Berufung. Unwichtig war ihm sein Ruhm aber nicht. War er auch ein Patriarch und Rassist?Offiziell betritt der « Gutmensch » im Jahr 2015 die (Sprach-)Bühne. Da wurde er zum «Unwort des Jahres» in Deutschland. Unter dem Radar kursierte er natürlich schon länger. Als Wort bedeutet er sein Gegenteil: kein – oder: nicht unbedingt ein - guter Mensch.

Nur ein Mensch, der überzeugt ist, das Gute zu tun, aber keine Ahnung von der Realität hat, oder einfacher: ein Mensch, der an die Kraft des Guten glaubt. Ein solcher leidet an einer Art moralischen Verblendung. Naiv. Und er nervt. Und jetzt stelle man sich Prof. Dr. phil. Dr. theol. Dr. med. Schweitzer vor. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg etwa. Die ganze Welt spricht von ihm. Sie bewundert ihn. 1947 nennt ihn das Magazin «Life» «The Greatest Man in the World». Ehrendoktortitel hatte es schon vorher (und nachher) gehagelt. 1920 hatte ihm übrigens die Theologische Fakultät der Universität Zürich seinen ersten verliehen. Es berührte ihn tief. Nach dem Ersten Weltkrieg war er stellen- und praktisch mittellos, 1948 hingegen sagt er eine Einladung in die USA, wo ihm den Ehrendoktor der Universität Chicago verliehen wird und er eine Rede zu Goethes 200. Jahrestag halten soll, vorerst ab. Als ihm jemand das Honorar von 6100 Dollar in Französische Francs umrechnet, ändert er seine Meinung sofort. Und ein bisschen Umgang mit den Chefs der US-Pharma kann auch nicht schaden. Das Spital braucht dauernd Medikamente. Schweitzer ist «God’s Eager Fool» (Gottes eifriger Verrückter) oder einfach «God’s Man». Der Friedensnobelpreis folgt 1952/53.Was hat er dafür tun müssen? Er ist in den afrikanischen Urwald gegangen, um dort ein Spital aufzubauen. Das wussten die meisten. Damit hat er auf die Annehmlichkeiten der Zivilisation und eine akademische Karriere verzichtet. Erstes stimmt, das Zweite hätte aber wegen seiner eigenwilligen theologischen Auffassungen nicht geklappt. Aber das wusste fast niemand. Vielleicht lag’s daran, dass nach den Gräueln des Zweiten Weltkriegs die Sehnsucht nach dem «Guten», das man bewundern konnte, allenthalben gross war. Aber kein Zweifel: Hier haben wir einen «guten Menschen». Gegen Ende der 1950er-Jahre schwappt das Urteil erwartungsgemäss ins «Gutmenschliche». Die NZZ schreibt 1958: « dass dieses Dokument (sc. die von Schweitzer unterzeichneten Appelle zum Atomverzicht) philosophisch, militärisch und theologisch wertlos ist». Schweitzer hatte es geahnt. Er hatte lange jede Einmischung in politische Belange (auch in Afrika) vermieden. Bei den Atomwaffen glaubte er, eine Ausnahme machen zu müssen. Für einige ist das Mass an Verehrung ohnehin voll. Man kritisiert den technisch rückständigen Zustand seines Spitals, seinen autoritär-patriarchalischen Führungsstil, wirft ihm gar fehlende Empathie vor, weil er seine gesundheitlich angeschlagene Frau und seine Tochter in Europa zurückgelassen hat. Diese Vorwürfe lassen sich entkräften. Schweitzer will eben keine Luxusmedizin (andere sagen, das Spital sei völlig ausreichend ausgestattet). Rassismus und Kolonialismus vorzuwerfen, war damals schon billig. Sätze wie: «Der Neger ist Kind, er braucht die führende Hand», lassen und liessen sich durchaus mit Respekt für Patienten, deren Angehörige und Helfer vereinbaren. Aber es stimmt: Schweitzer war ein Patriarch. Und wollte, dass es so gemacht wurde, wie er es für gut befand. Gegenüber seiner Familie hatte er andere Prioritäten. Seine Frau Helene hatte grosse gesundheitliche Probleme (Rücken, Tuberkulose), die ihr einen Aufenthalt in Afrika verunmöglichten. Zu Beginn und solange es ging, hatte sie tüchtig mitgeholfen. Und als es nicht mehr ging, hatte für Schweitzer das Spital Priorität – auch weil sie als junge Leute schon vor der Ehe sich einander für das Projekt verpflichtet hatten.Kein Mensch ist uneingeschränkt gut, ausser vielleicht Jesus. - Jesus? Da stecken wir schon mitten in der Schweitzerschen Theologie. Sein Fazit der historischen Leben-Jesu-Forschung war ungefähr so: Jesus war ein Jude, der in den Heilserwartungen seiner Zeit lebte. Und als das Reich Gottes nicht kam, wollte er es erzwingen und bezahlte mit dem Leben. Albert Schweitzer (Mitte) auf Arztvisite in dem von ihm aufgebauten Urwaldspital von Lambarene in Gabun, aufgenommen am 15. April 1988. Er war nicht Gottes Sohn, aber ein Mensch, der am Reich Gottes teilhaben wollte und die Welt innerweltlich überwand. Das macht ihn für uns zum ethischen Vorbild. Die ethische Energie, die von Jesus ausgeht, müssen wir in uns aufnehmen und damit in der Welt handeln. Und sie zum Besseren verändern. Wir müssen die Realität zwar akzeptieren, aber uns nicht mit ihr abfinden. So glaubt Albert Schweitzer an das Gute. Es kann wirken, in uns – und deshalb in der Welt. Wir müssen uns nur dafür entscheide

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