Was gönnen sich Bedürftige an Weihnachten? Wir haben in Langenthal nachgefragt, wo jede Woche 200 Menschen für eine Tasche voller Lebensmittel Schlange stehen.
«Was soll der Lauch in der Tasche?», ruft Esther Schönmann, «raus damit!» Sie zupft die Lauchstangen aus den Papiersäcken, sie kommen in eine Extrakiste, gratis zum Mitnehmen.
Seit Corona wird nicht mehr gekocht, jetzt werden Säcke mit Lebensmitteln gefüllt: Kartoffeln, Brot, Bananen, Gemüse, Schoggi, Chips und eine Eierschachtel obendrauf. Ein Bauer aus Kölliken AG habe sich extra mehr Hühner angeschafft, um mehr Gratiseier zu liefern, erzählt Esther Schönmann.Foto: Christian Pfander
Einheimische sind an diesem Tag klar in der Minderheit, «viele Schweizer schämen sich», sagt Esther Schönmann. Oder sie fühlen sich hier nicht wohl, denn manche Flüchtlinge seien sehr fordernd, «sie drängeln und hamstern». Wer genau drängelt und hamstert? «Viele Frauen mit Kopftuch, sorry, aber es ist so.» Damit habe sie grosse Mühe, sie wolle nicht, dass die Schweizer verdrängt würden.
Der Nummer nach werden die Taschen ausgehändigt – samt einem hübsch verpackten Weihnachtsgebäck für alle. «Kein Schweinefleisch», wird oft gewünscht. «Danke, danke, danke», sagt eine Ukrainerin und nimmt die Cervelats entgegen, die ihr eine Helferin entgegenstreckt. Schwups, zieht eine flinke Hand eine Packung Aufschnitt oder Lachs aus der Kiste, wenn die Verteilerin nicht aufpasst. Dankbarkeit und Gier – beides sieht man hier.
Kein Grund zum Jammern, «ich habe mein Leben genossen, das heisst, ich geniesse es immer noch. Mein Befinden ist nicht vom Geld abhängig.» An Heiligabend wird er sich ein Znacht in der Wirtschaft gönnen, Urs Marti weiss genau, was er bestellen wird: «Schnipo, dazu ein Bierli.» Ganz allein, das stört ihn nicht: «Ich stosse mit mir selber an.»Witali Berendieiev würde sich vor allem über Joghurt, Apfelmus und Gebäck freuen.
Der 3-jährige und der einjährige Bub warten zusammen mit dem Vater geduldig in der Schlange. Seit drei Jahren spazieren sie jeden Mittwoch hierher, es sei quasi zum Familienausflug geworden, sagt sie. Die geschenkten Esswaren seien eine riesige Entlastung. Manchmal auch eine Überraschung: Kürzlich habe sie Momos, gefüllte Teigtaschen vom Streetfood Festival, in der Tasche gefunden, «Momos kannte ich bisher nicht».
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