Die Software Deepseek, entwickelt von dem chinesischen Forscher Liang Wenfeng, hat den Silicon Valley in Atem gehalten und US-Aktienkurse in die Tiefe gerissen. Deepseek demonstriert, dass KI-Entwicklung effizienter und ressourcenschonender möglich ist. Doch die strikte Einhaltung der chinesischen Zensurrichtlinien durch Deepseek wirft Bedenken hinsichtlich des freien Informationsflusses auf.
Bild: X/Twitter Als Liang Wenfeng Ende der 2000er Jahre an der renommierten Zhejiang-Universität auf seinen Abschluss hinarbeitete, war er bereits der festen Überzeugung, dass künstliche Intelligenz die Welt von Grund auf verändern würde. Damals wurde er von vielen Kommilitonen jedoch als blosser Träumer abgetan, wie so oft in seinem Leben. Doch über 15 Jahre später hat Liang auf atemberaubende Weise bewiesen, dass er recht behalten sollte.
Am Montag sorgte seine mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattete Software Deepseek für eine Art Sputnik-Moment im Silicon Valley: Ein chinesischer Entwickler kann es ganz offenbar mit dem kalifornischen Platzhirsch aufnehmen, braucht dafür aber nur ein Fünfzigstel der Ressourcen. Der Schock sitzt derart tief, dass Deepseek die US-Aktienkurse kurzzeitig um 2 Billionen oder 2000 Milliarden Dollar in die Tiefe riss. Hinter Chinas KI-Erfolg steckt ein klassischer Computer-Nerd, der 1985 in der südlichen Provinz Guangdong geboren ist. Liang Wenfeng zog für sein Informatik- und Ingenieurstudium schliesslich nach Hangzhou, und das war kein Zufall. Die Ostküstenmetropole gilt als Mekka für Chinas grosse Internetfirmen, allen voran als Hauptsitz von Jack Mas Alibaba-Gruppe. Doch anders als seine Kommilitoninnen und Kommilitonen heuerte Liang nicht bei den grossen Marktführern an, sondern mietete sich in einer günstigen Wohnung ein, um in langen Nächten an seinem Computer mit Start-up-Ideen zu experimentieren. Nach mehreren gescheiterten Versuchen landete er schliesslich in der Finanzbranche – und baute einen Hedgefonds auf, bei dem einzig ein Algorithmus die Investitionsentscheidungen traf. Dieser wuchs rasant an, zuletzt verwaltete er ein Vermögen von umgerechnet knapp 13 Milliarden Euro. Liang Wenfeng war allerdings wenig an Reichtum und Geschäftsanwendungen interessiert, wie er in einem Interview aus dem Jahr 2023 verriet. Sein Antrieb fusse vor allem auf der Neugierde eines Forschers, der grundlegende Hypothesen überprüfen möchte: «Wir stellen zum Beispiel die Hypothese auf, dass die Essenz der menschlichen Intelligenz die Sprache sein könnte und dass das menschliche Denken im Wesentlichen ein linguistischer Prozess ist.» Möglicherweise könnte Deepseek nun einen Teil der Antwort liefern. Erst vor zwei Jahren wurde das Unternehmen gegründet, und es hat sich nicht trotz – sondern gerade wegen – der bestehenden Tech-Sanktionen der USA so innovativ entwickelt. Denn Not macht bekanntermassen erfinderisch. Und so musste Deepseek eigene Wege beschreiten. Chinas Parteiführung hat schon von früh an die Bedeutung von künstlicher Intelligenz als Technologie der Zukunft geglaubt. Das hat auch mit einer historischen Schmach zu tun: Laut der offiziellen Geschichtsschreibung gehört das «Reich der Mitte» an die Spitze der Weltordnung, die letzten 200 Jahre waren dementsprechend eine Phase der Anomalie. Dass China wirtschaftlich niederging, hatte vor allem damit zu tun, dass das Kaiserreich – den Blick in sich gekehrt – die technologischen Fortschritte während der Industrialisierung verschlafen hatte. Dieser Kardinalfehler dürfe sich nun nicht wiederholen. Dementsprechend werden in den Fünfjahresplänen der Kommunistischen Partei bestimmte Zukunftstechnologien mit besonderem Elan forciert. Und dabei kann das autoritäre System aus dem Vollen schöpfen: Weder Datenschutzgesetze noch Regulierungshürden hemmen den Ein-Parteien-Staat bei der technologischen Entwicklung. Zudem kann er auf die Forschung der Universitäten und Unternehmen in ungleich stärkerem Masse zugreifen, als es in einer freien Marktwirtschaft möglich wäre. Aus Sicht des Westens ist der Erfolg des chinesischen Start-ups besorgniserregend; nicht zuletzt, da Deepseek strikt die Zensurvorgaben der chinesischen KP befolgen muss. Während man die Software ausgiebig nach US-amerikanischen Kriegsverbrechen befragen kann, verweigert sie bei China-kritischen Themen grundsätzlich die Aussage. Sollten sich chinesische KI-Modelle weltweit durchsetzen, wäre dies eine erhebliche Gefahr für den freien Informationsfluss. Doch die Causa Deepseek hält auch einige inspirierende Lehren bereit: Es zeigt, dass das Entwickeln hochkomplexer KI auch effizienter und ressourcenschonender möglich ist, als es bislang im Silicon Valley die Techriesen vorgegeben haben. Deepseek hat nämlich nicht nur weniger Gelder verschlungen, sondern auch einen deutlich geringeren CO2-Fußabdruck hinterlassen
Künstliche Intelligenz Deepseek China Silicon Valley Innovation Zensur
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