Der Bundesrat will internationale Adoptionen verbieten, weil es trotz strenger Gesetze zu Missbräuchen kommt. Der Beschluss trifft Betroffene und Adoptiveltern auf unterschiedliche Weise.
Bundesrat will internationale Adoption en verbieten – Betroffene sagt: «Das ist die einzig richtige Entscheidung» Selbst mit einem strengen Adoption srecht seien Missbräuche nicht auszuschließen. Zum Schutz der Kinder will deshalb der Bundesrat künftig internationale Adoption en verbieten. Das löst starke Gefühle aus – bei den Betroffenen und bei (künftigen) Adoptiveltern.Jovita Bieler war acht Monate alt, als sie in Zürich-Kloten landete.
Die Schweiz war ein fremdes Land für sie, wo die Menschen eine unbekannte Sprache redeten und kein vertrautes Gesicht auszumachen war. Jovita Bieler stammt aus Indien. 1985 in Goa geboren, ist sie eines der Tausenden Kinder, die seit Mitte der 1970er-Jahre von Schweizer Paaren adoptiert wurden. Bielers Adoption fällt in eine Zeit, in der die Inlandadoptionen stark rückläufig waren. Zugleich nahm die Reproduktionsmedizin erst langsam an Fahrt auf. Was aber vorhanden war, war der Kinderwunsch vieler Paare, der sich auf natürlichem Weg nicht erfüllte. Die Auslandsadoptionen lösten das Problem. Und schufen in manchen Fällen einen Skandal, der das Leben dieser Betroffenen bis heute überschattet: nicht zu wissen, woher sie stammen und ob ihre Adoption rechtmässig verlief.Heute sind die damaligen Adoptivkinder erwachsen. Viele von ihnen stellen wie Jovita Bieler Fragen zu ihrer Herkunft – und finden keine Antworten. So kennt auch Bieler ihre Mutter nicht. Sie weiss nicht, ob ihre Mutter der Adoption zugestimmt hat. In den Unterlagen fehlt die entsprechende Einverständniserklärung – und somit das zentrale Dokument ihrer Adoption. Danach gefragt hat seitens der Schweizer Behörden nie jemand. Das ist nicht ungewöhnlich: Mehrere Studien haben ein grossflächiges Behördenversagen bei den internationalen Adoptionen in den 1980er- und 1990er-Jahren dokumentiert. Gemäss ihren Akten hat Jovita Bieler die ersten drei Monate im Heim gemeinsam mit ihrer Mutter verbracht. So steht es in einem Gesundheitsrapport. Dieser hält fest, dass sich das Baby gut entwickelte und von seiner Mutter betreut würde. Ebenfalls steht darin, dass Bielers Mutter im Heim Hilfe gesucht habe, weil sie in «körperlicher Not» gewesen sei. Weitere Erklärungen dazu finden sich nicht. Dieses Wissen holte Jovita Bieler ein, als sie selbst Mutter wurde. Als sie spürte, wie das Kind in ihr heranwuchs, wie sie eine Bindung mit ihm aufbaute und wie die Liebe zu dem kleinen Wesen in ihren Armen sie überflutete. Als es acht Monate alt war, meldete sich die Urangst in Bieler. Jene Angst, die alle Eltern kennen: dass sie das Kind verlieren könnten. «Ich stellte mir damals ständig vor, wie es wäre, wenn ich jetzt meinen Sohn weggeben müsste. So, wie meine Mutter es bei mir tun musste oder tat», sagt Bieler. Sie fragte sich: Wenn sie an der Stelle ihrer Mutter wäre, was würde sie dann wissen wollen? «Ich habe den ganz grossen Wunsch, ihr zu sagen, dass ich lebe und es mir gut geht.»Jovita Bieler kontaktierte viele Menschen und Stellen: die Adoptionsvermittlerin, die kantonale Behörde, die Bundesbehörde, die indische Behörde. Sie suchte im früheren Kinderheim nach Hinweisen auf ihre Mutter, schaltete ein Zeitungsinserat mit einem Babyfoto von sich und engagierte in Indien einen Mann, der einst selbst adoptiert wurde und heute andere Betroffene bei ihrer Herkunftssuche unterstützt. Nichts half, kein Hinweis zu ihrer leiblichen Mutter konnte gefunden werden. Ein solcher Fall darf sich nicht mehr wiederholen – da ist sich der Bundesrat einig. «Es gibt kein Recht auf ein Kind, aber es gibt ein Recht auf die Kenntnis der eigenen Abstammung. Das ist ein Menschenrecht», hält Justizminister Beat Jans gegenüber den Medien fest. Der Bundesrat beschließt deshalb, die internationalen Adoptionen künftig zu verbieten. Dies, weil es gemäss Jans trotz erheblicher Fortschritte bis ins letzte Jahrzehnt zu Irregularitäten gekommen sei. Der Bundesrat stützt seinen Entscheid auf den Bericht der unabhängigen Expertengruppe, die in seinem Auftrag die Adoptionspraxis und eine allfällige Revision überprüft hatte. Diese Expertengruppe kam zum Schluss, dass selbst mit einem revidierten und strengen Adoptionsrecht Missbräuche nicht vollständig auszuschließen sind. Wann das Verbot genau eintritt, ist unklar. Bis spätestens Ende 2026 soll eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage vorliegen. Auf die laufenden Verfahren hat der Entscheid keine Auswirkungen, betont Beat Jans. Doch wie stellt der Bund nun sicher, dass bei diesen keine Irregularitäten vorkommen? Auf die entsprechende Frage bleibt Justizminister Jans vage. «Wir haben einiges unternommen, um Verbesserungen herbeizuführen. Die Zentralbehörde wird nach bestem Wissen und Gewissen weiterarbeiten, bis entsprechende andere Gesetze vorliegen.» Nur: Die Zentralbehörde ist einzig bei den Verfahren involviert, die über Staaten laufen, welche das Haager Adoptionsübereinkommen unterzeichnet haben. Für Kinder aus allen anderen Ländern sind die Kantone zuständi
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