Der frühere Chefökonom bei der Weltbank erläutert, warum Adam Smiths Werk oft falsch interpretiert wird – und wie ideologische Gründe die Erforschung von Klassengegensätzen verhinderten.
«In den USA argumentierte man tatsächlich, dass es keine Klassen mehr gebe, weil alle gleich seien. Das war eindeutig ein Versuch, die Bedeutung des Kapitals herunterzuspielen.» WOZ: Branko Milanović, Ihr neues Buch, «Visionen der Ungleichheit», ist ein Ritt durch die Geschichte Ihrer Disziplin: Sie porträtieren darin etwa François Quesnay, einen der Begründer der Ökonomie, Adam Smith oder auch Karl Marx.
Apropos Adam Smith: Es wird immer wieder bemängelt, dass dieser oft verkürzt als Quasimarktradikaler rezipiert würde, weil man seine Moralphilosophie ignoriere. In Ihrer Deutung ist nun aber gerade der Smith von «Wohlstand der Nationen» gewissermassen der «linke» Smith, während Sie den Moralphilosophen Smith, der die Bedeutung des Mitgefühls für andere betont, kritisch sehen.
Ich bin absolut nicht dagegen, dass sich Ökonomen an politischen Debatten beteiligen, gerade weil die Wirtschaftswissenschaften ja wie gesagt eine Sozialwissenschaft sind. Sollen sie denn stattdessen Aufsätze schreiben, die dann zehn andere Ökonomen lesen, und das war es dann? Glücklicherweise aber haben wir Leute wie Joseph Stiglitz, Paul Krugman, Angus Deaton oder Thomas Piketty, die sich in die öffentliche Debatte einmischen.
Waren die theoretischen Entwicklungen dieser Zeit auch der Grund dafür, dass in der öffentlichen Debatte noch vor zwanzig Jahren nur selten von Klassen die Rede war – und selbst der Begriff «Kapitalismus» ausser Mode kam? Wenn man individuelle Fälle wie Grossbritannien anschaut, findet man schon Literatur dazu. Trotzdem interessierten sich die Wirtschaftswissenschaften im Allgemeinen nur sehr wenig für Fragen der Ungleichheit. Das in vielen Auflagen erschienene Lehrbuch von Paul Samuelson etwa hat 900 Seiten, von denen Samuelson ganze zwei Seiten der Einkommensverteilung widmet. Und auf diesen zwei Seiten thematisiert er diese nur unter dem Gesichtspunkt der Entwicklungsökonomie.
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