Zwischen Leinwand und Lärm: Wie das Kino seinen Zauber verliert

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Ein Erlebnisbericht aus einem Ostschweizer Kino wirft Fragen nach der neuen Realität im Kino auf.

Handys, lautes Geplauder und soziale Medien überhören die Magie der Leinwand – eine Momentaufnahme aus einem Ostschweizer Kino wirft Fragen auf. Sind solche Erlebnisse die neue Realität oder doch nur seltene Ausnahmen? Kinobetreiber und Experten geben Einblicke.Zack – das Blitzlicht einer Handykamera erhellt für einen kurzen Moment den dunklen Kinosaal.

Echt jetzt? Hat da jemand gerade während des Films ein Selfie mit Blitz gemacht? Immerhin: Der Vampir auf der Leinwand, Nosferatu, zerfällt nicht gleich zu Staub. Aber die Illusion eines gesitteten Kinoabends, die ist dahin. «Goht's no?», will man rufen. Man kann den Gedanken kaum zu Ende denken, ehe sich bereits der nächste Störfaktor aufdrängt. Eine Gruppe Jugendlicher unterhält sich so lautstark und unverblümt, dass ihr Geplauder kaum vom Filmdialog zu unterscheiden ist. Ihre Aufmerksamkeit gilt nur sporadisch der Leinwand – Instagram scheint weitaus fesselnder. Als wäre das nicht genug, schlägt einem vom Sitznachbarn eine kräftige Alkoholfahne entgegen. «Das ist der Grund, warum ich nicht mehr ins Kino gehe», hört man eine raue Männerstimme sagen, als der Abspann läuft und der Pausenhoflärm langsam verklingt. Das Licht geht an, grell und unbarmherzig, und enthüllt einen Saal voller genervter Gesichter. Eine Szene wie aus einem überzeichneten Drehbuch – doch genau so spielte es sich an einem Freitagabend in einem Ostschweizer Kino ab. Zeit für die Nachbesprechung.Ist das die neue Realität im Kino? Die meisten Betreiber winken ab: Solche Erlebnisse seien selten. «Nie erlebt», heisst es überwiegend, gefolgt von einem zögerlichen «Aber schon davon gehört». Kleinere Kinos wie das Kinotheater Madlen in Heerbrugg berichten von anderen Erfahrungen: Ihr Publikum sei vertrauter, familiärer – Konflikte kaum vorhanden. Auch grössere Kinoketten sehen keinen Hinweis auf einen Verfall der Kinokultur. Blue Cinema (ehemals Kitag) schreibt auf Anfrage, es gebe keine spürbaren Veränderungen im Verhalten der Gäste. Beschwerden über störendes Verhalten seien weder gestiegen, noch lasse sich ein klarer Trend erkennen. «Unsere Besucher halten sich weiterhin an die gewohnte Kinoetikette», so das Unternehmen. Ein hochstilisiertes Pseudophänomen also? «Ganz so einfach ist es nicht», sagt Thomas Knecht, ehemaliger leitender Arzt am Psychiatrischen Zentrum Appenzell Ausserrhoden. «Solche Vorfälle mögen selten sein, doch sie spiegeln eine tiefergehende Veränderung wider – einen schleichenden Kulturwandel, der auch vor dem Kinosaal nicht haltmacht.»«Die Sensibilität für das eigene Verhalten in öffentlichen Räumen hat zweifellos abgenommen.» Was früher als unangemessen oder respektlos galt, werde heute häufig als Teil eines erweiterten individuellen Handlungsspielraums wahrgenommen. Solche Kinoerlebnisse seien einer der Auswüchse dieses kulturellen Wandels. Für jüngere Generationen sei das Kino kein «heiliger Tempel», kein geweihter Ort, sondern ein erweiterter sozialer Raum, in dem die Regeln der digitalen Welt nahtlos weitergeführt werden. Die Aufmerksamkeitsspanne ist kurz, der Griff zum Smartphone fast schon instinktiv. Kommt hinzu, dass der Medienkonsum zunehmend solitär und autark geworden sei. Streaming-Plattformen, Tiktok, Instagram – «sie alle fördern eine Art von Erlebnis, bei der es um die Befriedigung individueller Bedürfnisse geht, nicht um kollektives Erleben».Ältere Kinobesucher empören sich über das respektlose Verhalten jüngerer Menschen, letztere verteidigen ihre Vorstellung eines «freien» Kinoerlebnisses. «Die jüngere Generation versteht die alte Norm des kollektiven Genusses nicht mehr als verpflichtend», so Knecht. Anders als etwa im Fussballstadion, wo Ausschweifungen oft zum Erlebnis gehören und das Gruppengefühl durch lautes Verhalten gestärkt wird, «kollidieren im Kino die Bedürfnisse der Generationen auf fast tragische Weise – der Wunsch der einen nach Ruhe und Gemeinschaft mit dem Drang der anderen nach Selbstentfaltung und Selbstdarstellung». Das Kino hat grössere Herausforderungen überstanden: das Aufkommen des Fernsehens, den Heimkino-Boom, den Siegeszug des Streamings – stets wurde sein Ende heraufbeschworen. Und doch existiert es immer noch. «Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, Kinoabende neu zu denken», sagt Knecht. Warum nicht spezielle Vorstellungen anbieten, die verschiedene Bedürfnisse berücksichtigen? Kinoabende in absoluter Stille für Puristen und Events mit lockerer Atmosphäre für geselligere Gemüter. «Diese Entwicklung könnte eine Brücke schlagen», sagt er – und dem Kino eine Zukunft geben, in der Tradition und Wandel Platz finden

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