Das jähe Wüten der Hamas-Banden im Grenzgebiet legt unvermutete Schwächen in Israels Sicherheitsdispositiv offen. Nun muss die Armee in Gaza aufräumen – das ist weit schwieriger als eine offene Feldschlacht.
Die Bar-Lev-Linie galt als uneinnehmbar. Israel hatte das Festungswerk entlang des Suezkanals nach dem Triumph im Sechstagekrieg erbaut und wähnte sich dahinter sicher. Die Ägypter, die 1967 auf dem Schlachtfeld keine gute Figur gemacht hatten, würden den Wall nicht bezwingen können, glaubte man im Lande, so, wie sich einst die Franzosen hinter der Ligne Maginot geschützt gefühlt hatten.
Die Überraschung war total, die Bestürzung der israelischen Regierung unter Golda Meir unbeschreiblich. Der Nimbus der israelischen Armee als allmächtig und der Geheimdienste als allwissend war angeschlagen. Das Selbstvertrauen, das die Israeli vor allem nach dem kompletten Sieg von 1967 gewonnen hatten, war zutiefst erschüttert.
Doch die Beurteilung des Ausgangs ist kontrovers. Die Syrer hatten zwar verloren, die Israeli hatten ihren massiven Panzervorstoss buchstäblich abgeschossen, die Ägypter dagegen betrachteten und betrachten sich durchaus als Sieger; schliesslich waren sie auf den Sinai vorgestossen, hatten also vormals ägyptisches Staatsgebiet zurückgeholt und dabei den Israeli schwer zugesetzt.
Eine Invasion von der Land- und der Seeseite her wiederum ist sehr wohl eine Möglichkeit für die Israel Defense Forces, sobald die Mobilisierung vollzogen ist und die Pläne erstellt sind. Doch es ist nicht das Gleiche, auf offenem Feld einer konventionellen Armee zu begegnen oder in labyrinthischer Umgebung in Strassenkämpfen eine wendige Guerilla zu bekämpfen, opferreich und unvermeidlicherweise zum Schaden einer feindseligen Zivilbevölkerung.
Urplötzlich wird der Davidstern in Europa wieder herzeigbar, Solidaritätsbekundungen mit Israel gehören nach längerer Diskretion wieder zum guten Ton. Israel entstand 1948 als Folge europäischen Versagens und Verbrechens, doch eben nicht im leeren Raum, sondern auf vormals osmanischem Boden inmitten der sich neu formierenden arabischen Welt.
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