Kontrollierte Selbstausbeutung und Selbstentblössung als poetisches Mittel: Zum Tod der amerikanischen Lyrikerin Louise Glück, die 2020 den Literaturnobelpreis erhielt.
Auf keinen Fall wollte sie populär sein: Die amerikanische Lyrikerin Louise Glück.Schreiben ist gefährlich, manchen kostet es das Leben. Louise Glück, die Jahre mit Magersucht und Therapie, eine dominante Mutter, zwei Ehen inklusive Scheidung, einige Affären und noch mehr Therapien zu bestehen hatte, erreichte – anders als Sylvia Plath oder Anne Sexton – ein biblisches Alter.
In Glücks Gedichten herrscht eine Art Permafrost, ihre Bilder sind winterkalt wie in «Snowdrops»: «Do you know what I was, how I lived? You know/ what despair is; then/winter should have meaning for you.» Dabei spricht sie nicht nur von sich, sondern naturmystisch aus dem überfrorenen Erdreich, in Erwartung des Frühlings. Sie glaubte, den Winter nicht zu überleben, aber es gelang.
Auf keinen Fall wollte sie populär sein, bloss keine Autorin für die Massen, kein Bestseller, doch heute sind ihre Gedichte Lehrstoff für die nächste und übernächste Generation. Weil kein Mensch vom Gedicht allein leben kann, da es kein nennenswertes Publikum dafür gibt, haben die amerikanischen Universitäten die segensreiche Einrichtung einer Dozentur für den von Haus aus armen Poeten etabliert.
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