Felix Werth fürchtet den Tod. Und widmet sein ganzes Dasein dem Traum, ihn abzuschaffen.
Auf der Suche nach dem ewigen Leben in Scottsdale, Arizona: Eine Stahlkapsel füllt sich mit flüssigem Stickstoff. Alle Bilder in diesem Beitrag stammen von Murray Ballard.Als sich Felix Werth vor zwölf Jahren an seinen Computer setzt, hat er sich damit abgefunden, dass er einmal würde sterben müssen. Zumindest fürs Erste. Werth ist gerade 34 Jahre alt und gesund, aber er will auf jeden Fall etwas in der Hand haben, wenn ihn der Tod holt.
Werth verzieht das Gesicht, wird ein wenig rot. Er windet sich. «Ja, schon», sagt er dann so bestimmt, als wolle er überspielen, dass er hier sehr verletzlich ist. Doch er kann kaum verbergen, welchen Grusel ihm die Gedanken an das eigene Ende bereiten. Er spricht mit strahlenden Augen über die Fortschritte der Wissenschaft und darüber, dass die Mittel schon da seien, es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis der Mensch den Tod hinter sich lasse.
Als er irgendwann von Menschen liest, die sich nach ihrem Tod einfrieren lassen, besänftigt ihn das ein wenig. Er, der an nichts glaubt als die Wissenschaft, sieht darin die einzige Chance auf ein Leben nach dem Tod. Doch im Labor merkt er, wie langsam Wissenschaft sein kann. Als Einzelner kann er da nicht viel ausrichten. Es bräuchte viel mehr Forschende, viel mehr Gelder, denkt er. Werth will sie auftreiben. Noch bevor er das Studium nach drei Jahren als Fünftbester abschliesst, setzt er sich darum mit drei Freunden in einem Berliner Café zusammen und gründet die «Partei für Gesundheitsforschung».
Jeder von uns muss, bislang zumindest, mit der Gewissheit leben, irgendwann zu sterben. Wenn man dem Kulturanthropologen Ernest Becker glaubt, gelingt uns das oft nur, indem wir uns, wir würden irgendwie fortbestehen – oder zumindest irgendetwas von uns: entweder buchstäblich im Himmel, im Paradies, nach der Wiedergeburt oder im übertragenen Sinne durch das, was wir geschaffen oder unseren Kindern mitgegeben haben.
«Es gibt so vieles, was ich gern mache», sagt er immer wieder, konkret fällt ihm aber nichts ein. Wenn man ihn dann fragt, was er in seiner Freizeit treibe, fragt er zurück, was man unter Freizeit verstehe. Wenn er sich beim Gemüseschnippeln einen Podcast über die neuste Forschung anhöre? Er gehe auch oft zu Szenetreffs oder Wissenschaftskonferenzen. Freundinnen ausserhalb der Szene habe er nicht mehr.
Viele Kryonikerinnen sagen, es gebe so viele Bücher zu lesen und Filme zu schauen, so viele Länder zu bereisen und Menschen zu treffen, ein Leben sei dafür einfach nicht genug. Sie wollten unbedingt die Zukunft sehen, mit Robotern leben oder auf den Mars. Werth hat nichts dagegen. Aber er würde auch weiterleben wollen, wenn die Zukunft wie die Steinzeit wäre.
Auf der Strasse runzeln die Leute die Stirn, wenn Werth sie auf das ewige Leben anspricht. Viele antworten einfach: Wollen wir gar nicht! Andere fragen, wie das mit der Rente oder dem Klimawandel funktionieren solle? Wo man dann noch leben könne: auf dem Mars?, sofern die Geburtenrate nur lange genug unter zwei Kindern pro Familie läge. Dass man das Klima mit erneuerbaren Energien und Kernfusion retten, die Menschen mit Fleisch aus der Petrischale sattkriegen werde.
Und Werth beschreibt die Ablehnung, die ihnen entgegenschlägt, wohl eher zurückhaltend. Alle Reporter, die ihn im Wahlkampf begleiteten, erzählen in ihren Texten von Passantinnen, die ihn für verrückt halten. Und auchWerth fragt sich da schon längst, was er sich antut. Doch schon bald, denkt er, wählt Europa. 0,5 Prozent der Stimmen könnten ausreichen für einen Sitz im Parlament.
Wenn Kulturanthropologe Becker richtig liegt, wollen wir auch deshalb ein guter Mensch sein, eine gute Christin, ein guter Schweizer – je nachdem, welches Glaubenssystem wir bevorzugen –, damit man sich nach unserem Tod an uns erinnert, damit etwas von uns bleibt, wir nicht so ganz gehen. Wenn wir aber Menschen sehen, die ganz anders ticken als wir, zweifeln wir daran.
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