Die SVP und Verbündete im Kanton Tessin wollen die Zahl der Angestellten in der kantonalen Verwaltung mit einer Volksinitiative auf 1,3 Prozent der Bevölkerung drosseln. Die Initiative stößt bei Linken und Gewerkschaften auf Widerstand.
Die Zahl der Angestellten wächst im öffentlichen Dienst schneller als in der Privatwirtschaft. Im Kanton Tessin wollen jetzt die SVP und Verbündete die Verwaltung mit einer Volksinitiative zurückstutzen.
Wie viele Angestellte braucht es bei Bund, Kantonen oder Gemeinden? Ist die öffentliche Verwaltung aufgebläht und zu teuer? Diese Fragen sorgen regelmässig für Zündstoff – auch im Kanton Tessin, wo soeben eine Volksinitiative mit dem Namen «Stopp dem Wachstum der Kantonsangestellten» eingereicht wurde . Die SVP und Verbündete wollen die Zahl der Angestellten in der kantonalen Verwaltung auf 1,3 Prozent der Bevölkerung deckeln. Ausgenommen wäre das Lehrpersonal an Schulen sowie das Pflegepersonal im psychiatrischen Bereich des öffentlichen Spitalwesens. Würde das Volk die Initiative annehmen, müssten gemäss den Initianten innert fünf Jahren rund 580 Vollzeitstellen abgebaut werden. Das entspricht einer Reduktion von 9 bis 10 Prozent. Gemäss den Befürwortern lässt sich die Schrumpfungskur ohne Entlassungen bewerkstelligen, weil jährlich rund 300 Personen durch natürliche Fluktuation aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Der Kanton Tessin mit einer Wohnbevölkerung von 350’000 Personen zählt heute zirka 9200 Angestellte im öffentlichen Sektor. Ohne Lehrpersonal und psychiatrisches Pflegepersonal sind es noch 5200. Die Initianten stützen sich auf eine Studie des Instituts für Verwaltungsstudien der Universität Lausanne (IDHEAP) vom Juni 2023, wonach im Tessin die durchschnittlichen Ausgaben pro Einwohner für die Verwaltung um 33 Prozent höher liegen als bei den anderen Kantonen. Die Initianten folgern daraus, dass die Verwaltung überdimensioniert ist und überdurchschnittlich viele Angestellte zählt. Das Tessin tickt rechtsbürgerlich. So überrascht es kaum, dass für die Initiative zur Deckelung des Personals innert Kürze rund 11‘000 Unterschriften zusammengekommen sind, weit mehr als die nötigen 7000. Hinter dem Vorhaben steckt hauptsächlich die kantonale SVP. Aber auch die Lega-Zeitung «Mattino della domenica» hat massgeblich zu diesem Sammelerfolg beigetragen. Angestellte des öffentlichen Dienstes sind schon lange im Visier der rechtspopulistischen Partei.Die Initiative wird auch von einzelnen Exponenten der FDP und CVP unterstützt, ausserdem von den beiden wichtigsten Wirtschaftsverbänden im Kanton, der Handelskammer und dem Industrieverband. Bei der Lega kommt der eigene Staatsrat Norman Gobbi unter Druck, denn gerade die von ihm geführte Polizei- und Justizdirektion ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Schlecht kommt die Initiative bei Linken und Gewerkschaften an. Der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) spricht von einem Angriff auf den öffentlichen Dienst. SP-Co-Präsident Fabrizio Sirica erklärte: «Diese Initiative geht nicht auf die realen Bedürfnisse der Bevölkerung ein.» Es brauche eher einen Ausbau als einen Abbau des öffentlichen Dienstes. Die Tessiner Beamten-Deckelung-Initiative lehnt sich an eine ähnliche Initiative im Kanton Solothurn an, welche maximal einen Kantonsangestellten pro 85 Einwohnerinnen und Einwohner verlangt hatte (1:85 «So schlank. So stark.»). Am 3. März 2024 sagte das Solothurner Stimmvolk mit 55,5 Prozent aber Nein zu dieser von der FDP lancierten Vorlage.Die FDP nimmt anderswo einen neuen Anlauf. Im Kanton Zürich, in dem rund 30‘000 Personen für die Kantonsverwaltung tätig sind, will sie noch dieses Jahr eine Volksinitiative unter dem Namen «Personalbremse» lancieren. Demnach soll die Zahl der Beschäftigten in der Zentralverwaltung nicht stärker wachsen als die Bevölkerung im Kanton. In den Diskussionen um die angemessene Grösse der Kantonsverwaltung wird gerne auch mit interkantonalen Statistiken argumentiert; Kantone mit «schlanker Verwaltung» werden als gute Beispiele herangezogen. Doch die Vergleiche sind nicht einfach, wie es im Vorwort zur erwähnten IHDEAP-Studie heisst, insbesondere weil die Aufgabenverteilung und die Lastenteilung zwischen einem Kanton und seinen Gemeinden je nach Kanton stark variieren kann. «In der Deutschschweiz haben die Gemeinden mehr Kompetenzen und Zuständigkeiten», erklärte auch Politologin Sarah Bütikofer von der Universität Zürich im Zusammenhang mit der Solothurner Abstimmung. Doch Parameter lassen sich für Vergleiche anpassen. Zählt man Mitarbeitende von Kanton und Gemeinden zusammen, so ist die Zahl der Staatsangestellten in den Kantonen Basel-Stadt und Genf am höchsten, in Appenzell Innerrhoden und Thurgau am tiefsten. Dies zeigt eine Studie des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik der Universität Luzern (IWP). Der Kanton Aargau kommt in der IWP-Studie mit seiner schlank aufgestellten Verwaltung sehr gut weg und führt die Rangliste in Bezug auf die Personalkosten der Staatsangestellten sogar an. Der kantonale und kommunale Personalaufwand im Aargau ist demnach zwischen 2008 und 2021 nur um 4,2 Prozent gestiegen – im Tessin hingegen um 25,3 Prozen
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